Im Gespräch mit unserem Nachhaltigkeitsexperten.

Um die Idee von Nachhaltigkeit und die nötigen Wohnraumanforderungen unter ein Dach zu bringen braucht es natürlich hier und dort so einige Experten. Da haben wir doch gleich mal unseren Architekten Christoph Wiesmayr zu einem netten Gespräch eingeladen. Dieser hat uns bis hin zum Einreichplan unterstützt. Es wurde über so einiges geplaudert:

Erzähl doch mal über deine Person und deine Projekte ein wenig.

Ich bin auf einem bäuerlichen Anwesen als ältester Sohn der letzten Berufsdonaufischerfamilie im Linzer Osten aufgewachsen. In meiner Studienzeit hab ich erst so wirklich verstanden, welche Besonderheit dieses Kleinod in einer mittlerweile von Industrie- und Gewerbe dominierten Landschaft birgt. Ich hab die Diplomarbeit meiner Heimat und meiner Familie gewidmet. Im Nachhinein, für mich, ein wertvoller Grundstein, aus dem vieles entstanden ist. Beispielsweise mein Verein „Schwemmland“, diverse Gemeinschaftsgartenprojekte, der „Hafengarten“, das „Treib.Gut“-Magazin, als auch zahlreiche Interventionen und Veranstaltungen in diesem fast gänzlich versiegelten Stadtgebiet sind seither daraus entstanden.

Ich wollte als Student eigentlich ein internationales Stadtenwicklungsprojekt beackern, doch der Blick mittels Google-Earth 2007 auf mein Zuhause und zermürbende Büroarbeit an globalen Immobilienblasen war der Auslöser, meine Energie zukünftig auf mein Zuhause zu lenken. Ich stellte mir die Frage, wie ich mich als Architekt engagieren, und die kleinbäuerliche Struktur meiner Familie erhalten kann, welche schon mehr als 500 Jahre existiert. Folgendes Zitat von Che Guevara zu Jean Ziegler während der ersten Weltzuckerkonferenz 1964 in Genf, kommt mir dabei öfter in den Sinn:

„Hier ist das Gehirn des Monsters, hier bist du geboren, hier musst du kämpfen!“

Du beschäftigst dich also sehr viel mit dem Thema Ökologie in der Architektur und deinen Projekten, wie kam es dazu?

Es war die Zeit um das Jahr 2008, als Lehman-Brothers insolvent gingen und die Finanzkrise ausgelöst hatten. Gleichzeitig waren Politik- wie auch Lebensmittelskandale als auch der „Klimawandel“ durch Michael Moore oder Al Gore stark in den Medien vertreten. Dies waren Auslöser, für mich als Student für ein Umdenken in meinem Werteverständnis sowie meiner Weltanschauung. Schon während meiner Grazer Studienassitenzzeit bei Prof. Klaus Loenhart waren ökologische Themen in der „Architektur- und Landschaftsplanung“ präsent. Nebenbei erwähnt, interessiere ich mich für daoistische uns ganzheitliche Sichtweisen auf unsere Welt.

Passivhaus, Biogasgewinnung, Vertical-Farming, Biologische Landwirtschaft waren bald „en vogue“ geworden. Persönlich konnte ich schon früh Wissen zu Passivhausplanung in diversen Architekturbüros aneignen. Gegenwärtig, und nachdem ich längere Zeit in einem Passivhaus gewohnt habe, relativiert sich meine Euphorie für das Passivhaus. Die Problematik der geringen Luftfeuchte durch kontrollierte Wohnraumlüftung hat meine Atemwege ausgetrocknet und ich bin öfter erkrankt. Auch der hohe Material- und graue Energieaufwand sprechen nicht für ein nachhaltiges Konzept. Ich verfolge ein angemesseneres und ressourcenschonenderes Bauen.

Unsere Architekt
Christoph Wiesmayr bei der Arbeit

Nach dem Studium wollte ich meinen Weg als „Grüner Architekt“ fortführen. Dabei war es mir wichtig, nicht oberflächlich zu arbeiten. Schöne grüne Renderbilder, also gefakte Architekturen zu erzeugen, die am Ende nur fürs Auge, und schlussendlich (meist aus Kostengründen) nie realisiert werden. Wie es leider oft der Fall ist. Ich wollte meine Sache ernst nehmen und wissen wie es funktioniert. Darum habe ich mich bald mit diversen autarken Energiesystemen beschäftigt. Habe kleine Aquaponicanlagen, oder auch eine begrünte Wand für ein Asialokal selbst geplant und gebaut. Weiters habe ich mich intensiv mit Permakultur und Gemüseanbau in Gemeinschaftsgärten beschäftigt. Welche Pflanzen und welche Bewässerungstechniken für den jeweiligen Standort nötig sind, sind für eine richtige Planung relevant. Aktuell beschäftige ich mich nebst meiner Studienassistenz an der Kunstuniversität in Linz (BASEHABITAT), auch persönlich für diverse Bauaufgaben, die intensiver mit Holz- und Lehmbau zu tun haben. Hier gibt es noch enormes Entwicklungspotential. Lehm und Holz ergänzen sich besonders gut für ein behaglicheres Raumklima.

Wie denkst du über Wohnraum? Wie sieht der ideale Wohnraum für dich aus. Aktuell gibt es immer wieder Diskussionen wie viel Wohnraum man wirklich zum Leben braucht und ständig poppen neue Projekte mit Alternativen auf.

In Zeiten wo sich die Schere zwischen Reich und Arm weiter aufspannt, fehlen noch die richtigen Lösungen und flächendeckende Angebote für jene, die nicht in Besitz von Immobilienkapital sind. Das aktuelle System klammert sich noch zu sehr an tradierte Muster. Besonders Banken halten immer noch das Bild vom „Einfamilienhaus im Grünen“ hoch und geben sich als die Wohnbauexperten aus. Und jeder möchte sein Heim so bauen wie Hermann Maier. Und so sieht auch unsere Umwelt aus! Resultat sind überschuldete und zerstörte Familienstrukturen, Landschaftsverschandelung und -Versiegelung auf „hohem Niveau“, enormer Flächenverbrauch, ausgestorbene Stadtkerne und die Tristesse am Land hat Einzug gehalten.

Wie ich beobachte haben es Co-housingprojekte schwer in die Gänge zu kommen, weil Flächenwidmung und politische- wie auch wirtschaftliche Interessen oft dagegen halten. Es gibt nur wenige Beispiele wo es klappt. Pioniere wie etwa Eilfried Huth in den 60er Jahren mit seinen partizipativen Wohnbauprojekten, oder Fritz Matzinger´s „nachbarschaftliche Wohnprojekte“ sowie die „Sargfabrik“ in Wien sind tolle Referenzen, auf die man weiter aufbauen sollte. Aber es braucht dazu mutige und ausdauernde Klienten sowie Architekten. Aktuell ist das Projekt „Willy*Fred“ auch schon über die Linzer Stadtgrenzen bekannt geworden, dabei konnte man eine Immobilie „vom Markt“ abkaufen und für lange Zeit leistbare Mieten für die Bewohner sicherstellen.

Wie viel kann man wirklich mit Architektur gegen die globale Klimaerwärmung beitragen? Was gibt es zu bedenken? Und welche Maßnahmen können gesetzt werden?

Fassaden und Dachbegrünung – kühlt das Haus ohne technischen Mehraufwand! Grünraumressourcen erhalten und schonen. Kein Polystyrol als Dämmung verwenden! Kurze Wege; Arbeiten dort, wo man wohnt. Geringes und optimiertes Raumvolumen schaffen. Gemeinschaftswohnformen attraktiv gestalten! Alternative Versorgungssysteme; autarke Trinkwasser und Abwassersysteme. Mit aktuellen Baugesetzen leider ein schwieriges Unterfangen. Optimale Nachnutzung von Bestand!

Es reicht nicht nur ein paar Solarzellen an sein Haus zu kleben. Less is more! Die wertvolle Humusschicht beim Hausbau nicht entsorgen lassen! Überlegen ob ein Keller oder ein Walmdach wirklich nötig ist. Beton- und Asphaltierungsmaßnahmen reduzieren, bzw. vermeiden! Eingeschoßige Megalogistikobjekte am Land vermeiden. Biomärkte mit Lebensmittelanbauflächen am Dach entwickeln! ….. die Liste ist lang!

Was würdest du zum Thema Baustoffe sagen, auch bei unserem Projekt hast du uns ja immer empfohlen auf natürliche Baustoffe zurück zugreifen. Vielleicht kannst du dazu etwas sagen?

Was mir wichtig ist: Ökologisch bauen hat mit „Hippiearchitektur“ nichts mehr am Hut. Leben in beengten und miefigen Wohnwägen, insektenbefallene Wände, aufwendige Strohballenkonstruktionen sind für mich Geschichte. Wir sind mittlerweile längst technologisch um viele Schritte weiter. Bei Lehm, Holz, und Stroh gibt es neue, leichtere und sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Weiters bin ich ein Verfechter von „LOW-TECH“. Gegenwärtig wird das „Smart-Home“ Konzept als zukunftsweisend proklamiert. Jedoch glaube ich, dass wir uns als mündige Menschen nicht zu sehr von technischen Hilfsmitteln abhängig machen müssen. Ich setze bei meinen Klientinnen schon frühzeitig an, sich die grundsätzliche Fragen zu stellen. Besonders bei eurem Projekt in St. Gotthard finde ich es höchst sympathisch, den Grundanforderungen des „Wohnens“ nachzugehen.

Leute wie ihr, die sich intensiv mit ökologischen Bauen und aktuellen Entwicklungen interessieren sind mir ein Geschenk. Bei einem Punkt waren wir völlig d’accord; dass wir keine Styropordämmung verwenden werden. Das Bauen mit „WDV“ (Wärmedämmverbundsystem) auf Mineral-Erdölbasis (EPS, XPS… udgl.) sehe ich als Verbrechen an unsere Nach- und Umwelt!
Ihr habt euch lange Zeit intensiv über Strohballenbauweise informiert und damit befasst. Stroh als ein Urprodukt, das regional anfällt, sinnvoll einzusetzen war ein Grundanliegen von euch. Das ich natürlich voll unterstütze. Jedoch gibt es dabei logistische und technische Schwierigkeiten mit den sehr voluminösen und schweren Strohballen auf einem kleinen Grundstück zurechtzukommen. Zum Glück seid ihr dann auf ISO-Stroh Einblasdämmung gekommen. Diese weiterentwickelte Nutzform aus 100% Strohdämmung ist für mich zukunftsweisend und würde ich gerne für weitere Projekte einsetzen.

Zudem habt ihr euch für eine autonome Heizform entschieden. Mit Holz zu heizen ist nichts Verwerfliches, wenn man es nur sinnvoll und effektiv einsetzt. Andrea hat eine Allergie und dabei ist ein Kachelofen mit schlichtem Retrodesign die absolut richtige Lösung für euch. Ich habe euer Haus bewusst kompakt gehalten und den Ofen zentral platziert, sodass alle Wohnräume direkt oder indirekt beheizt werden. Das Schöne an Kachelöfen ist, dass er Wärme für längere Zeit speichert und für ein angenehmes Wohnraumklima sorgt, als vergleichsweise ein schlichter Holzstückofen mit höherem Masseverbrauch oder eine Fußbodenheizung, die das Staubproblem fördert. Also hat eure Heizung auch einen geringeren CO2 Ausstoß. Mit Holz zu heizen ist unter anderem ein höchst archaisches, elementares, sinnliches, sowie bewusstes Erlebnis. Man weiß einfach wo es herkommt. Im Gegensatz zu Gas aus irgendeiner Leitung. Falls nötig, ist ein zusätzliches Aufrüsten mit Photovoltaik ja immer noch möglich.

Eine Frage auch noch zu unserem Projekt. Unser Anspruch war es ja ein möglichst nachhaltiges Haus zu planen, immer aber mit dem Gedanken an die Budget Frage. Wie bist du an das Ganze herangegangen?

Nachhaltigkeit ist für mich mittlerweile zu einer beliebigen Floskel geworden. Für mich ist es eher die Summe von Entscheidungsprozessen die zu einer Nachhaltigkeit führen können. Wie zuvor schon erwähnt, hab ich euer Haus sehr platzsparend auf 104 Quadratmeter Nutzfläche konzipiert. Es gibt auch keinen Keller und keine unnötig aufwendigen Hangsteinmauern. Die Herausforderung im Entwurf war euer Haus optimal ohne große Erdarbeiten in schwieriger Hanglage zu platzieren. Das Grundstück mit bis zu 50% Gefälle und Gegengefälle war schwierig in den Griff zu bekommen. Ich habe dafür extra ein Arbeitsmodell und eine 3D Simulation angefertigt, um zu sehen, wie es sich mit dem Verschneiden der Ebenen verhält. Die Ausrichtung nach Süden mit Blick auf die Voralpen, mit konstruktivem Sonnenschutz lag auf der Hand. Meine Idee war es von der Zufahrtsstraße aus parken zu können und direkten Zugang zu den Wohnräumen zu ermöglichen. Prinzipiell hab ich das Haus als auskragende Holzschatulle auf Metallstützen mit minimalem Fundamentaufwand konzipiert. Ein Bodengutachten wegen „Feststoffverlagerung am Hang“ und die Vorstatik waren für die weitere Planung unerlässlich. Der Erdaushub wird vor Ort weiterverwendet und Regenwasser wird für den Garten gesammelt. Ich freue mich schon wenn es endlich los geht und wünsche Euch alles Gute für die Bauphase!

Danke lieber Christoph für deine Antworten!

Wie es mit der Detailplanung, Statik usw. weiterging, die von DPM Holzdesign mit größter Profession ausgeführt wurde, lassen wir euch bald in einem weiteren Artikel wissen.

Bis dahin alles Gute und bis bald!